Alpengarten
Alpinum
Im Gefolge der Alpenbegeisterung des 18. Jahrhunderts wurden die Alpen zu einem bevorzugten touristischen Ziel von Adligen und wohlhabenden Bürgern. Gerne brachten die Reisenden Pflanzen von dort mit und zeigten sie – oft neben den modischen anderen «exotischen» Gewächsen – in eigens dafür angelegten Steingärten in ihrem Park. Der Alpengarten beziehungsweise das Alpinum wurde so zu einem Statussymbol in Herrschaftshäusern.
Mit der Zunahme des Tourismus und der damit verbundenen Faszination für die Alpenflora als Souvenir drängten sich Schutzmassnahmen für die delikaten Gewächse auf: 1883 wurde die erste Vereinigung zum Schutz der Pflanzen in der Schweiz vom Schriftsteller und Gartenarchitekten Henry Correvon gegründet. Correvon förderte auch die Gründung von zahlreichen Alpengärten.
Der Alpengarten auf Schloss Wartenfels wurde 1923 von Schlossgärtner Martin Steinbeisser angelegt. Die Initiative dazu kam möglicherweise vom neuen Schlossbesitzer Georg Meidinger, der neben seinem festen Wohnsitz in Basel und dem Sommersitz Wartenfels im bündnerischen Klosters noch einen weiteren Wohnsitz besass.
Purpur-Enziane (Gentiana purpurea) waren gemäss Erinnerung seines Enkels eine Spezialität von Gärtner Steinbeisser. Diese Enziane waren sonst im Mittelland selten zu sehen. Purpur-Enzian gedeiht am besten auf kalkarmen Böden. Er wächst in Höhenlagen von 1000 bis 2750 Metern.
Solche und andere geschützte Pflanzen erweckten offenbar nicht nur Bewunderung bei den Schlossbesuchern, sondern auch Begehren, wie früher bei den Alpentouristen. Beim Einkauf unten im Dorf entdeckte Hanna Steinbeisser einmal eine Pflanze aus dem Alpinum in einem Privatgarten. Steinbeissers drohten darauf dem Pflanzendieb mit einer Anzeige, worauf die Pflanze ihren Weg zurück ins Alpinum fand.
Nach der Pensionierung von Martin Steinbeisser 1965 wurde das Alpinum verkleinert und die Alpenflora aufgegeben. Die Rekonstruktion erfolgte schliesslich durch Schlossgärtner Stefan Bernhard, der von 2014 bis 2024 auf Wartenfels tätig war und 2023 eine Facharbeit über das Alpinum als Gartendenkmal verfasste.
Das Bepflanzungskonzept setzt sich aus vier Gruppen zusammen: Polsterstauden, Beetstauden, alpine Stauden und saisonale einjährige Pflanzen. Mit der Wahl von ProSpecieRara-Pflanzen kann ein Beitrag zur Artenvielfalt und zum Erhalt alter Sorten geleistet werden.
Martin und Hanna Steinbeisser-Fiechter
Martin Steinbeisser (1888-1966) liess sich im bayerischen Kapuzinerkloster Altötting und am Botanischen Garten von München-Nymphenburg zum Gärtner ausbilden. Bereits vor dem I. Weltkrieg war er bei Adolf Vivell angestellt. Nach dem Kriegseinsatz für Deutschland kehrte er zu Vivell zurück und war an der Ausführung des Schlossgartens beteiligt.
Auf Wartenfels lernte er Hanna Fiechter (1900-1967) kennen, die er 1921 heiratete. Das Ehepaar wohnte zunächst im kleinen «Turm», dem Pförtnerhaus, und zog vorübergehend nach Riehen, bis Georg Meidinger die beiden mit ihrem Töchterchen 1923 zurückholte. Von da an wohnten sie bis 1965 im inzwischen frei gewordenen Pächterhaus.
Steinbeissers wirkten nicht nur als umsichtige Gärtner. Sie besorgten auch den Hausdienst für die Familie Meidinger und ihre Gäste. Hanna Steinbeisser musste den Herrschaften auch die Wäsche waschen; Meidingers hatten dafür im Pächterhaus extra eine teure «Schulthess»-Waschmaschine angeschafft.
In seinen Trauerreden von 1966 und 1967 betont Professor Fuchs, der spätere Schlossbesitzer, nicht nur die grosse Fachkenntnis und Einsatzbereitschaft des Ehepaars Steinbeisser, sondern auch deren Gastfreundschaft. Fuchs hielt sich selber oft im Pächterhaus auf, und er hatte dort offenbar auch ein Zimmer, wenn es ihm fürs Übernachten im Schloss zu kalt war oder sonst nicht behagte.